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2011-02-07: Der Kampf um das Umweltzentrum hat sich gelohnt
„Damit ist der Antrag 17/07 angenommen”. Das bedeutete: Das
Umweltzentrum ist gerettet. Durch die Reihen auf der Zuschauerempore
im frisch renovierten Jugendstilsaal des Chemnitzer Rathauses ging
ein Aufatmen.
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Das Haus an der Henriettenstrasse stand seit dem April
2010 auf einer Sparliste zur Konsolidierung des Haushalts und sollte
verkauft werden. Damit wäre eine „lange demokratische Tradition” zu
Ende gegangen wie es in der Begründung des Gegenantrags im Stadtrat
hiess. Am 23. Juni 1990 war das Haus als ehemalige Stasi-Immobilie
vom Runden Tisch der Stadt an Gruppen übergeben worden, die im
Umweltschutz aktiv waren und sich bisher in kirchlichen oder
Privaträumen getroffen hatten. Manfred Hastedt, einer der Aktiven,
ist bis heute der Leiter. „Vom Keller bis zum Dachboden haben wir das
Haus entrümpelt und renoviert, so wurde es der Stadt erhalten”,
erinnert er sich. Nutzer sind heute neben der Umweltbibliothek viele
Vereine, die von dort aus ihre weitgehend ehrenamtliche Arbeit
organisieren: unter anderen der Sächsische Flüchtlingsrat, Amnesty
International, der BUND mit der Geschäftsstelle seines sächsischen
Landesverbands, der ADFC, die Grüne Liga, das Infozentrum Weltladen
und der Timbuktu-Verein sowie das Büro der Lokalen Agenda 21 /
Bürgerbeteiligung.
Stadt schädigte die Arbeit
Für Stadträtin Petra Zais von BÜNDNIS / DIE GRÜNEN, welche den
Kampf um die Henriettenstrasse organisierte, war es der zweite Schlag
gegen das Zentrum: Schon 2003 hatte die Stadt es in seiner Funktion
geschädigt, als Manfred Hastedt und seine Kollegin als kommunale
Mitarbeiter in neu von der Stadt angemietete Räume des „Technischen
Rathauses” umziehen mussten. Statt ständig Ansprechpartner, Knoten
des Netzwerks und Stütze der Ehrenamtlichen zu sein, sitzen sie nun
über 7 Kilometer entfernt an der Annaberger Strasse. Die engen
Quadratmeter kosten die Stadt zudem 7.900 Euro Jahresmiete. Schlechte
Folgen hatte auch das Hin und Her um die erforderliche Sanierung des
Treppenhauses und der Sanitäranlagen. Erst sollte das aus Mitteln
des Konjunkturpakets II bewältigt werden. Kartons und
Ausweichquartiere für die einjährige Bauzeit standen schon bereit,
dann kündigte die Stadt eine hohe Miete für das sanierte Haus an,
welche die Vereine nicht tragen konnten. Bisher hatten sie nur die
Nebenkosten gezahlt und so und durch die ehrenamtliche Arbeit das
Haus vor dem Verfall bewahrt. Es wäre nicht das einzige
Gründerzeitgebäude in Chemnitz, welches mangels Nutzer zu einer
Ruine wurde.
Proteste von Hamburg bis Zürich: „Überregionale Bedeutung”
Widerstand organisierte sich. Zuerst versuchte die vierköpfige
Fraktion von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN im Sommer im Stadtrat
vergeblich, einen Beschluss zum Erhalt des Zentrums zu erzielen. Dann
wurden immer mehr Unterstützer aktiv. Der Chemnitzer Superintendent
Andreas Conzendorf erklärte die wichtigen Synergieeffekte: „Wenn ich
da reingehe und etwas vom ADFC wegen Fahrrädern will, dann komme ich
an anderen vorbei und nehme mir zum Beispiel Flyer mit.” Er fragte
sich, ob der erwartete finanzielle Nutzen - die Stadt bezifferte den
Erlös des Zentrums und zehn anderen Gebäuden auf insgesamt 180.000
Euro - wirklich dauerhaft bestünde. „Denn die Vereine, welche für
ein gelingendes Gemeinwesen wichtig sind, könnten ohne eine Art von
Hilfe nicht bestehen. Wenn man sie unerreichbar macht, wird ihre
Arbeit sehr schwierig.” Als positives Gegenbeispiel nannte Conzendorf
das „Haus der Demokratie” in Leipzig. Auch der ehemalige
Superintendent und heutige Ehrenbürger Christoph Magirius hatte dazu
ein Vier-Augen-Gespräch mit Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig
geführt.
Briefe und Protestpostkarten trafen im Rathaus ein. Prof. Dr. Hubert
Weiger, Bundesvorsitzender des BUND, spielte auf die Bemühungen um's
Stadtimage an: „Mit dieser Begegnungsstätte ginge auch ein Stück
lebenswertes Chemnitz verloren, das sich ja vom 'Rußchemnitz' zur
'Stadt der Moderne' entwickeln möchte.” Der gebürtige
Karl-Marx-Städter Dr. Tilo Usbeck, Mitarbeiter der „Eidgenössischen
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft”, wies darauf hin,
dass eine derartige Einrichtung selbst sein derzeitiger Wohnort -
Stadt mit der weltweit besten Lebensqualität - nicht ihr eigen
nennen könne. Der Bundesverband der Arbeitsgemeinschaft Natur- und
Umweltbildung (ANU) e. V. Hamburg betonte die zentrale Bedeutung des
Umweltzentrums. Immer wieder wurde auch an Auszeichnungen wie den 3.
Preis als „Hauptstadt des Fairen Handels” erinnert. Die Leipziger
Nikolaikirche verwies auf die Friedensgebete, welche dort seit 1982
stattfinden und von denen aus es Kontakte nach Chemnitz gäbe. „Das
Haus in der Henriettenstrasse hat unzweifelhaft überregionale
Bedeutung. Wir würden es bedauern, wen Haushaltszwänge zum einen
wesentliche Ergebnisse der Friedlichen Revolution 1989/90
zurücknehmen, zum anderen und vor allem aber die - viel zu wenigen - engagierten Bürger ins Aus drängen, derer die Gesellschaft dringend
bedarf.”
Neues Konzept
Parallel arbeiteten die Nutzer des Hauses an einem gemeinsamen
Konzept, um das Haus mit einem Erbpachtvertrag zu übernehmen. „Wir
sind dichter zusammengerückt auf Grund der schwierigen Situation”,
stellt Manfred Hastedt fest. Der Trägerverein wählte einen neuen
Vorstand mit fünf gleichberechtigten Mitgliedern: Ingrid Kasiske von
der Umweltbibliothek, Britta Schmidt vom Weltladen, Ali Moradi vom
Chemnitzer Flüchtlingsrat, Wolfgang Riether vom BUND sowie Manfred
Hastedt.
Als der grüne Antrag am 26. Januar in der entscheidenden Sitzung zum
Chemnitzer Sparpakt auf der Tagesordnung stand, hatten sich ihm nicht
nur die Fraktion der LINKEN; sondern auch die Anwältin Almut Patt
und der Informatiker Michael Walter von der CDU angeschlossen. „Wir
haben uns riesig gefreut, dass der grüne Antrag eine
überwältigende Mehrheit bekommen hat”, sagt Manfred Hastedt. Jetzt
blickt er nach vorn, die Arbeit geht weiter. Bis zum 1. April soll
der Erbpachtvertrag stehen, so hat es der Stadtrat der Verwaltung
aufgetragen, sowie ein Dienstleistungsvertrag auf Basis des Konzepts.
„Denn durch die Vereine erbringen Chemnitzerinnen und Chemnitzer
Dienste für die Stadt, dafür muss der Unterhalt des Hauses
finanziell geregelt werden.” Zusätzlich werden Spender gesucht, die
sich an diesem Symbol des Bürgerengagements beteiligen wollen.
Dafür will Petra Zais einen Förderverein gründen. Und dann hofft
sie auf die politische Vernunft, dass die kommunalen Mitarbeiter
wieder in Henriettenstrasse 5 zurückziehen können.
Katharina Weyandt
Sprecherin Stadtverband
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Chemnitz
Lohstrasse 9 (Getreidemarkt)
09111 Chemnitz
Telefon/Fax: 0371 / 41 99 46
Katharina Weyandt |
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